Lebenswissenschaften erhalten Quanten-Boost

Max-Planck-Forscher Stefan Glöggler von Gesellschaft Deutscher Chemiker ausgezeichnet

Dr. Stefan Glöggler vor einem NMR Spektrometer © Johannes Pauly / Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

Für seine Erforschung neuer Methoden, um zelluläre Prozesse sichtbar zu machen, würdigt die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) den Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und am Center for Biostructural Imaging of Neurodegeneration (BIN) der Universitätsmedizin Göttingen mit der Felix-Bloch-Vorlesung. Die Auszeichnung wurde ihm am 29. September verliehen.

Glöggler und seinem Team ist es kürzlich gelungen, neue effiziente und schnelle Verfahren zu entwickeln, mit denen sich Stoffwechselprozesse in Echtzeit verfolgen lassen. „Wir wollen einzelne Stoffwechselmoleküle und deren biochemische Umwandlung direkt im Körper mittels Magnetresonanztomografie (MRT) sichtbar machen. Denn Informationen über einen veränderten Stoffwechsel können dabei helfen, Krankheiten wie Krebs oder Demenz früher zu erkennen und zielgerichteter zu therapieren“, erläutert der Forscher. „Mein Ziel ist es, die Anwendung der MRT in der biomedizinischen Forschung und der klinischen Diagnostik zu revolutionieren.“

Der große Vorteil seines Ansatzes: Die Untersuchungen kommen ohne körperfremde Kontrastmittel aus, die in der MRT häufig nötig sind, um Krankheiten zu erkennen. Stattdessen wirken die von ihm untersuchten Stoffwechselmoleküle selbst als Kontrastmittel. Dementsprechend sind sie hervorragend verträglich.

Mit Wasserstoff und Quanteneffekten zum Erfolg
Damit die ohnehin im Körper vorkommenden Stoffwechselmoleküle als Kontrastmittel wirken und gezielt im MRT beobachtet werden können, müssen die schwachen Signale, die diese Moleküle von Natur aus in einem MRT geben, um ein Vielfaches verstärkt werden. Glöggler gelingt mit seinen neuen, schnellen Verfahren eine Steigerung der Signale um mehr als das 10.000-fache. Bei den von ihm erforschten Methoden werden natürliche Stoffwechselmoleküle mit einer besonderen Form des Wasserstoffs behandelt, dem sogenannten para-Wasserstoff. Dieser lässt sich einfach und kostengünstig gewinnen, indem Wasser mittels Elektrolyse in Wasser- und Sauerstoff gespalten und der Wasserstoff dann stark abgekühlt wird.

„Para-Wasserstoff bringt bereits Raketen in den Weltraum und er könnte die nächste Generation von Wasserstoff-Autos antreiben“, erklärt Glöggler. „Nun hat er das Potenzial, die medizinische Diagnostik zu revolutionieren. Bei unserer Arbeit machen wir uns die Quanteneffekte des para-Wasserstoffs zunutze. Quanteneffekte sind Phänomene, die nur im Mikrokosmos kleinster Teilchen und Atome zu beobachten sind. Sie haben dennoch einen großen Effekt auf unsere Welt. Bei unseren Untersuchungen sorgen sie für einen wahren Boost der Signale von Stoffwechselmolekülen.“

Zusätzlich zur Signalverstärkung können der Max-Planck-Wissenschaftler und sein Team die Signaldauer verlängern. „Für gewöhnlich bleiben die Signale von Stoffwechselmolekülen nur wenige Augenblicke im MRT sichtbar“, berichtet der Göttinger Forscher. „Wir aber konnten neue Kontrastmittel bereits für mehrere zehn Minuten verfolgen.“

Tragbare Mini-MRT-Geräte
Die immense Verstärkung der Signale ermöglicht es, Stoffwechselprozesse nicht nur mit herkömmlichen MRT-Geräten zu beobachten, die stationär und kostspielig sind, sondern auch mit tragbaren Mini-Geräten – ein weiterer Forschungsschwerpunkt des Preisträgers. „Dadurch, dass unsere Moleküle so starke Signale produzieren, reicht im Grunde ein MRT-Gerät mit der Magnetfeldstärke eines Kühlschrankmagneten, um die Signale sichtbar zu machen. Wir konnten beispielsweise schon einen Stoffwechselprozess mithilfe eines selbstgebauten, portablen Geräts in Echtzeit verfolgen, der aktuell in klinischen Studien in großen Standard-MRT-Geräten zur Krebsdiagnostik genutzt wird.“ Der Max-Planck-Wissenschaftler ist überzeugt, dass die kommerzielle Nutzung tragbarer Mini-MRT-Geräte nicht mehr fern ist. Davon könnten besonders Menschen in strukturschwächeren Regionen profitieren.

Glöggler freut sich sehr über die Auszeichnung der GDCh, die gleichzeitig die gesamte Leistung seines Teams anerkennt. Auch nach vielen Jahren erfolgreicher Forschung treiben den Gruppenleiter weiterhin seine Visionen an: „Zukünftig wollen wir unsere Methoden von menschlichen Zellkulturen auf komplexe Organismen übertragen, um physiologische Funktionen besser zu verstehen. Eine tatsächliche Anwendung in der Medizin liegt nur noch wenige Jahre in der Zukunft.“
 

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