Die Mikroskopie ist ein unverzichtbares Werkzeug in vielen Bereichen von Wissenschaft und Medizin. Viele Menschen haben jedoch aufgrund der Kosten und Zerbrechlichkeit dieser Technologie nur begrenzten Zugang zu ihr. Forschern der Universitäten Göttingen und Münster ist es nun gelungen, selbst ein hochauflösendes Mikroskop zu bauen – mit nichts weiter als Legosteinen und günstigen Teilen aus einem Handy. Anschließend konnten sie zeigen, dass Kinder im Alter von 9 bis 13 Jahren nach dem Bau und der Arbeit mit dem Mikroskop ein deutlich besseres Verständnis für die Mikroskopie hatten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift The Biophysicist veröffentlicht.
Die Forscher entwarfen ein voll funktionsfähiges, hochauflösendes Mikroskop mit Fähigkeiten, die denen eines modernen Forschungsmikroskops nahe kommen. Bis auf die Optik handelt es sich bei allen Bauteilen des Mikroskops um Legosteine. Das Team erkannte, dass die Linsen in modernen Smartphone-Kameras, die rund vier Euro pro Stück kosten, von so hoher Qualität sind, dass sie es ermöglichen, sogar einzelne Zellen aufzulösen. Die Wissenschaftler erstellten eine eigene Anleitung zum Bau des Mikroskops sowie ein Schritt-für-Schritt-Video, das durch den Bauprozess führt und gleichzeitig die relevanten optischen Eigenschaften eines Mikroskops vermittelt.
Das Verständnis der Kinder maßen die Forscher anhand von Fragebögen, die sie einer Gruppe von Neun- bis Dreizehnjährigen vorlegten. Dabei fanden sie heraus, dass Kinder, denen die Teile und Pläne zum Selbstbau des Mikroskops gegeben wurden, ihr Wissen über Mikroskopie durch den Bau und die Beschäftigung damit signifikant erhöht hatten. Für diese spezielle Studie profitierten die Forscher, deren tägliche Arbeit sich auf grundlegende biophysikalische Prozesse konzentriert, vom Input und der Begeisterung ihres zehnjährigen Co-Autors.
„Ein naturwissenschaftliches Verständnis ist entscheidend für die Entscheidungsfindung und bringt viele Vorteile im Alltag, zum Beispiel im Hinblick auf Problemlösung und Kreativität“, erläutert Prof. Dr. Timo Betz von der Fakultät für Physik der Universität Göttingen. „Dennoch stellen wir fest, dass viele Menschen, auch Politikerinnen und Politiker, sich ausgeschlossen fühlen oder keine Möglichkeiten haben, sich mit wissenschaftlichem oder kritischem Denken zu beschäftigen. Wir wollten einen Weg finden, um die natürliche Neugier zu fördern, den Menschen zu helfen, grundlegende Prinzipien zu begreifen und das Potenzial der Wissenschaft zu erkennen.“
Die Forscher blieben mit den Kindern in Kontakt und beobachteten ihre Fortschritte: Nachdem sie die Hauptteile konstruiert hatten, entdeckten sie nach und nach, dass die Linsen als Vergrößerungsgläser fungieren können, dass eine gute Lichtquelle wichtig ist und wie man zwei Lupen richtig ausrichtet. Sobald sie diese Hindernisse überwunden hatten, erzeugten die Linsen eine enorme Vergrößerung. So konnten die Kinder buchstäblich mit dem Mikroskop „spielen“: eigene Anpassungen vornehmen, erkunden, wie die Vergrößerung funktioniert und die spannende Welt des Mikrokosmos für sich entdecken.
„Wir hoffen, dass dieses modulare Mikroskop in Klassenzimmern und zu Hause auf der ganzen Welt eingesetzt wird, um Kinder für die Wissenschaft zu begeistern und zu inspirieren“, so Betz. „Wir haben gezeigt, dass wissenschaftliche Forschung nicht vom täglichen Leben getrennt sein muss. Sie kann aufschlussreich, lehrreich und lustig sein!“
Alle Pläne und Anleitungen sind auf Englisch, Deutsch, Niederländisch und Spanisch verfügbar und online unter https://github.com/tobetz/LegoMicroscope frei zugänglich.
Originalveröffentlichung: Bart E. Vos et al. Designing a high-resolution, LEGO-based microscope for an educational setting. The Biophysicist 2021. https://meridian.allenpress.com/the-biophysicist/article/doi/10.35459/tbp.2021.000191/466674/Designing-a-High-Resolution-LEGO-Based-Microscope
Kontakt:
Prof. Dr. Timo Betz
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Physik
III. Physikalisches Institut – Biophysik
Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen
Tel: +49 551 39 26921
E-Mail: timo.betz@phys.uni-goettingen.de
www.betzlab.uni-goettingen.de/