Zutaten für früheste Lebensformen in 3,5 Milliarden Jahre altem Gestein erhalten

Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Göttingen entdeckt biologisch relevante organische Moleküle in Flüssigkeitseinschlüssen

Baritkristall mit flüssigen und festen Einschlüssen (dunkle Schichten) Foto: Joachim Reitner

Es ist allgemein akzeptiert, dass die frühesten Lebensformen kleine organische Moleküle als Baumaterialien und Energiequellen nutzten konnten. Doch die Existenz solcher Komponenten in frühen Lebensräumen konnte auf der Erde bisher nicht nachgewiesen werden. Ein Forschungsteam der Universität Göttingen hat nun organische Moleküle und Gase nachgewiesen, die primär in 3,5 Milliarden Jahre altem Gestein eingeschlossen wurden. Es ist wahrscheinlich, dass Lösungen aus früh-archaischen Hydrothermalquellen wesentliche Bestandteile enthielten, die eine Grundlage für die Existenz frühester Lebensformen auf unserem Planeten bildeten. Die Ergebnisse der Studie sind in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Die Wissenschaftler untersuchten 3,5 Milliarden Jahre alte „Barite“ – ein aus Bariumsulfat (BaSO4) bestehendes Mineral. Diese stammen aus der Dresser-Formation, einer bestimmten geologischen Einheit in Westaustralien. Die Barite entspringen einer Zeit, in der sich frühes Leben auf der Erde entwickelte. Im Feld sind die Dresser-Barite oft mit versteinerten Eisensulfid-reichen laminierten mikrobiellen Matten – Stromatolithe – verbunden. Diese Barite enthalten mikroskopische Einschlüsse, die mit Gasen und Flüssigkeiten gefüllt sind. Diese wurden eingeschlossen, als die Barite in einem flachen Tümpel  kristallisierten, der von vulkanisch erhitzten Flüssigkeiten aus dem Untergrund gespeist wurde. „Wir vermuteten, dass in diesen Einschlüssen einfache organische Moleküle eingeschlossen wurden, die als Nährstoffe für frühes mikrobielles Leben gedient haben könnten“, sagt Dr. Helge Mißbach, Erstautor der Studie.  Er forschte zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen am Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen und ist nun am Institut für Geologie und Mineralogie der Universität zu Köln angesiedelt.

In den Flüssigkeitseinschlüssen identifizierte das Team organische Verbindungen, unter anderem Essigsäure und Methanthiol sowie Gase wie Kohlendioxid, wenig Methan und Schwefelwasserstoff. Letzterer lässt den Dresser-Barit beim Anritzen wie faule Eier riechen. Diese Verbindungen könnten wichtige Substrate für Stoffwechselprozesse des frühen mikrobiellen Lebens gewesen sein. Darüber hinaus werden sie als Schlüsselfaktoren für die Entstehung des Lebens auf der Erde betrachtet und erforscht. Die unmittelbare Verbindung zwischen den aus dem Untergrund hervorquellenden primordialen organischen Molekülen und mikrobiellen Organismen – vor rund 3,5 Milliarden Jahren – ist ein bemerkenswerter Befund, der unser noch sehr lückenhaftes Verständnis der frühesten Evolution des Lebens auf der Erde erheblich erweitert.
 

Originalveröffentlichung: Helge Mißbach et al, Ingredients for microbial life preserved in 3.5 billion-year-old fluid inclusions, Nature Communications 2021. DOI: 10.1038/s41467-021-21323-z

Kontakt:
Dr. Helge Mißbach
Universität zu Köln
Institut für Geologie und Mineralogie
Telefon: 0221 470 7319
helge.missbach(at)uni-koeln.de

Prof. Dr. Joachim Reitner und Prof. Dr. Volker Thiel
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Geowissenschaften und Geographie
Geowissenschaftliches Zentrum, Geobiologie
Goldschmidtstraße 3, 37077 Göttingen
E-Mail: jreitne(at)gwdg.de, vthiel(at)gwdg.de
Tel: 0551 39 -27950 (JR); -14395 (VT)
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