Zeitliche Variation der Anbauvielfalt stabilisiert landwirtschaftliche Produktion

Forscherteam mit Beteiligung der Universität Göttingen analysiert Wege zur Ernährungssicherung

Eine von vielen landwirtschaftlichen Kulturen geprägte Landschaft in Australien. Foto: water.alternatives

Die weltweite Ernährung zu sichern, ist eine zentrale Herausforderung vor dem Hintergrund des erwarteten Bevölkerungsanstiegs auf fast zehn Milliarden Menschen und der Auswirkungen des Klimawandels. Als stabilisierender Faktor für die Ernährungssicherheit gilt in der Landwirtschaft eine hohe Vielfalt an Anbaukulturen. Doch diese Diversität allein genügt nicht. Es kommt auch darauf an, wie sie sich in ihrer zeitlichen Verteilung unterscheiden, schreibt ein Forscherteam mit Beteiligung der Universität Göttingen in der Fachzeitschrift Nature.

Die Diversität der Feldfrüchte ist ein wichtiger Faktor, um die landwirtschaftliche Produktion zu erhalten. Eine größere Anzahl verschiedener Feldfrüchte mindert das Risiko eines kompletten Ernteausfalls, wenn einzelne Kulturen von Pflanzenkrankheiten befallen werden, und sie schützt vor Missernten infolge von extremen Wetterereignissen wie Dürren oder vor Schädlingsbefall. „Entscheidender für Produktionssicherung ist allerdings eher die Asynchronität“, sagt Lukas Egli, UFZ-Agrarökologe und Erstautor der Studie. So ergibt sich eine größere Asynchronität beispielsweise durch Unterschiede in der zeitlichen Abfolge, in der auf Ackerflächen Feldfrüchte ausgesät und geerntet werden, oder die Variation der Phänologie, also der unterschiedlichen zeitlichen Entwicklung in der Vegetationsperiode. „Je heterogener die Feldfrüchte zeitlich verteilt sind, umso geringer mögen negative Auswirkungen von Extremereignissen, Naturkatastrophen und ökonomischen Krisen ausfallen, so dass die gesamte landwirtschaftliche Produktion eines Landes weniger betroffen ist“, sagt Egli. Werden zum Beispiel unterschiedliche Nutzpflanzenarten zur gleichen Zeit erntereif, steigt das Risiko, dass bei einem Unwetter oder einem Hochwasser die komplette Ernte vernichtet wird. Ein solcher Totalausfall wird durch Asynchronität vermieden, konkret durch diverse Aussaat- und Erntezeiten, durch den Anbau von Kulturen mit unterschiedlichen Anforderungen an Klima und Bewirtschaftung oder durch den Einsatz von Mischkulturen.

Die Auswertung von Daten der Welternährungsorganisation ergab, dass beispielweise Indien, Mexiko und China zu den Staaten mit einer hohen Produktionsstabilität und hoher Asynchronität gehören; in Russland, Australien und Argentinien sind sie dagegen gering. Derzeit geht der globale Trend in der Landwirtschaft allerdings eher dahin, dass die Asynchronität abnimmt. „Um die Nahrungsmittelproduktion von den Unwägbarkeiten des Weltmarktes und den Umweltschwankungen etwas unabhängiger zu machen, sollten Staaten daher stärker als bisher auf eine hohe Diversität und Asynchronität der Anbaukulturen setzen“, kommentiert Prof. Dr. Teja Tscharntke, Abteilung Agrarökologie der Universität Göttingen und Koautor der Studie

Originalveröffentlichung:Egli, L., Schröter, M., Scherber, C., Tscharntke, T., Seppelt, R.: Crop asynchrony stabilizes food production. Nature (2020), Doi: https://doi.org/10.1038/s41586-020-2965-6

 

Kontakt:
Prof. Dr. Teja Tscharntke
Georg-August-Universität Göttingen
Abteilung Agrarökologie
Grisebachstr. 6, 37077 Göttingen
Telefon: 0551/399209
ttschar@gwdg.de
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