Paviane als Modell für die menschliche Evolution

Übersichtsartikel zur Pavianforschung erschienen

Guineapaviane (Papio papio) an der DPZ-Forschungsstation Simenti im Senegal. Foto: Julia Fischer

Paviane sind in Afrika weit verbreitet. Die heute existierenden sechs Arten haben sich vom Süden aus nahezu über den gesamten Kontinent südlich der Sahara ausgebreitet. Im Laufe der Evolution haben Paviane im Vergleich zu anderen Primatenarten eine große Anpassungsfähigkeit und unterschiedlichste Sozialsysteme entwickelt. Das macht sie für Forscher zu einem wichtigen Modell, um komplexe evolutionäre Prozesse zu untersuchen. Langzeitstudien liefern zusätzlich Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Sozialleben, Gesundheit, Lebensdauer und Fortpflanzung. Da sich die Paviane etwa zur gleichen Zeit und im gleichen Lebensraum wie der Mensch entwickelt haben, ermöglichen die Studien auch Rückschlüsse auf die Entwicklungsgeschichte früher Menschenarten.

In den letzten Jahrzehnten haben sich eine Vielzahl internationaler Primatologen mit Lebensweise, sozialer Organisation und evolutionärer Entwicklung von verschiedenen Pavianarten beschäftigt. Auch die Wissenschaftler der Abteilung Kognitive Ethologie am DPZ beobachten seit über zehn Jahren Guineapaviane an der DPZ-Forschungsstation im Senegal. Ihre Erkenntnisse wurden nun in einem Übersichtsartikel der Online-Zeitschrift eLife zusammen mit weiteren Daten zur Gattung der Paviane veröffentlicht.

„Langzeitstudien zu verschiedenen Arten an unterschiedlichen Orten haben uns umfassende Erkenntnisse zur Systematik, Morphologie, Ökologie, Sozialsystemen, Gesundheit und Schutzstatus der Tiere geliefert“, sagt Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie und Erstautorin des Artikels. „Das Ziel des Artikels war, den derzeitigen Wissensstand über die Entwicklungsgeschichte und Lebensweise der Paviane zusammenzufassen und gleichzeitig noch ausstehende Forschungsfragen zu formulieren.“

Wichtige Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte waren zum Beispiel, dass die sechs Pavianarten sich nicht nur in Aussehen und Lebensweise unterscheiden, sondern auch in ihrer Entstehungsgeschichte. Basierend auf Analysen der Erbinformation verschiedener Arten konnten die Forscher nachvollziehen, dass die heute existierenden Arten aus einer südlichen Linie, aus der Bärenpaviane, Gelbe Paviane und Kindapaviane hervorgingen, und aus einer nördlichen Linie, aus der sich Mantelpaviane, Anubispaviane und Guineapaviane entwickelten, entstanden. Neben der Aufspaltung von Linien im Laufe der Evolution konnten die Forscher auch Hybridisierungen und damit einhergehenden Genaustausch zwischen den Arten nachweisen.

Auch das Verhalten und die soziale Organisation der Pavianarten ist divers. Bären-, Kinda-, Anubis-und Gelbe Paviane leben in einschichtigen Sozialsystemen, die durch die Abwanderung von Männchen und einen festen Kern aus Weibchen geprägt sind. Die Beziehungen der Männchen zeichnen sich eher durch Konkurrenz um Weibchen und aggressives Verhalten aus. Zwischen Weibchen und Männchen herrschen klare Rangordnungen.

Mantel- und Guineapaviane leben dagegen in mehrschichtigen Sozialsystemen. Die Weibchen wandern zwischen den Gruppen hin und her. Mantelpaviane etablieren Ein-Männchen-Gruppen, in denen ein Alpha-Männchen mit mehreren Weibchen lebt, die sich nur mit ihm paaren. Mehrere dieser Haremsgruppen können sich zu sogenannten Clans zusammenschließen, mehrere Clans formieren Banden. Die Männchen-Männchen- sowie die Männchen-Weibchen-Beziehungen sind bei Mantelpavianen eher von Konkurrenz und Unterordnung geprägt. Dagegen formieren die Männchen bei Guineapavianen enge Freundschaften untereinander, Aggression kann kaum beobachtet werden. Die Weibchen gehen freiwillig Bindungen mit Männchen ein und bleiben Wochen oder auch Jahre mit ihnen zusammen. Auch Guineapaviane leben in kleinen Units mit einem Männchen und bis zu sechs assoziierten Weibchen. Mehrere Units bilden Parties, mehrere Parties formieren Gangs.

„Die Erforschung der Entstehungsgeschichte der Paviane und ihr Leben in komplexen Gesellschaften ermöglicht uns ein besseres Verständnis unserer eigenen sozialen Evolution“, resümiert Julia Fischer. „In zukünftigen Studien wollen wir noch weitere Fragen untersuchen, zum Beispiel welche Auswirkungen Umweltveränderungen wie der Klimawandel langfristig auf die soziale Organisation haben oder ob die genetische Ausstattung der Tiere das Verhalten und die Flexibilität innerhalb sozialer Systeme beeinflusst.“

Übersichtsartikel
Fischer J et al. (2019): The Natural History of Model Organisms: Insights into the evolution of social systems and species from baboon studies. eLife 8:e50989 doi: 10.7554/eLife.50989


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