Dem Herpesvirus auf der Spur

DPZ-Infektionsforscher zeigen über welchen Rezeptor das Kaposi-Sarkom-Herpesvirus in B-Zellen eindringt

Mikroskopische Aufnahme eines Kaposi-Sarkoms mit charakteristischen Spindelzellen, reichlich kleinen verzweigten Blutgefäßen und intrazelluläre Hyalin-Globuli. Foto: Copyright © 2010 Michael Bonert (https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Nephron)

Herpesviren sind treue Begleiter. Einmal damit infiziert, verbleiben sie ein Leben lang im Körper und können bei Stress oder geschwächtem Immunsystem erneute Krankheitssymptome hervorrufen. Ein häufiger Vertreter beim Menschen ist beispielsweise das Herpes simplex-Virus Typ 1, das die bekannten Lippenbläschen hervorruft. Aber auch die Kinderkrankheit Windpocken oder das Pfeiffersche Drüsenfieber werden durch Herpesviren verursacht. Herpesviren gibt es praktisch bei allen Wirbeltieren. Acht Herpesviren sind spezifisch für den Menschen, die zum Teil schwere Infektionen und auch Krebs auslösen können.

Die Wissenschaftler der Nachwuchsgruppe Herpesviren am DPZ erforschen den Infektionsmechanismus des Humanen Herpesvirus Typ 8 auch Kaposi-Sarkom-Herpesvirus, kurz KSHV, genannt. Das Virus verursacht bei immungeschwächten Patienten das Kaposi-Sarkom, eine solide Tumorerkrankung, sowie zwei bösartige Erkrankungen, bei denen sich infizierte B-Lymphozyten unkontrolliert vermehren: das primäre Effusionslymphom und eine Variante der Castleman-Krankheit. Die KSHV-assoziierten Tumore treten vor allem in Verbindung mit HIV-Erkrankungen auf und sind in Subsahara-Afrika weit verbreitet.

KSHV nutzt für die Infektion der Wirtszellen ein Rezeptorprotein, EphA2, das sich in der Zellmembran befindet. Das Membranprotein gehört zur Familie der sogenannten Ephrin-Rezeptortyrosinkinasen, wovon bislang 14 verschiedene Varianten im Menschen bekannt sind. Das Virus bindet mit einem Glykoprotein-Komplex in der Virushülle an das Rezeptorprotein und gelangt so in die Zelle. „KSHV nutzt bevorzugt den EphA2-Rezeptor als Eintrittskarte“, sagt Alexander Hahn, Leiter der Nachwuchsgruppe Herpesviren am DPZ. „Allerdings konnten wir auch eine Affinität des Virus für andere Eph-Varianten nachweisen. Wir wollten herausfinden, ob diese Rezeptoren auch bei der Infektion der B-Lymphozyten durch KSHV eine Rolle spielt. Bisher war das nur für auf Oberflächen wachsende Zellen, sogenannte adhärente Zellen, bekannt.“ Interessant ist das auch, weil die Mechanismen für die Infektion von B-Zellen und adhärenten Zellen sich fundamental zu unterscheiden scheinen. Während adhärente Zellen von freiem Virus infiziert werden können, funktioniert eine effiziente Infektion bei B-Zellen in der Regel nur durch direkten Kontakt von Virus-produzierender Zelle und B-Zelle.

In Interaktionsstudien mit Glykoproteinen des Virus und Proteinen aus einer menschlichen B-Zelllinie konnten die Wissenschaftler die Ephrin-Rezeptortyrosinkinasen EphA7 und EphA5 als Rezeptorkandidaten für KSHV identifizieren. Um die Funktion dieser Rezeptoren für die Infektion nachzuweisen, generierten die Forscher mittels CRISPR genetisch modifizierte B-Zelllinien, die entweder den einen oder den anderen Rezeptor nicht mehr enthielten und setzten diese für Infektionsstudien ein.

„In der Zelllinie ohne EphA5-Rezeptor konnten wir einen Rückgang der Infektionsrate mit KSHV um 57 Prozent feststellen“, fasst Anna Großkopf, Doktorandin in der Nachwuchsgruppe Herpesviren und Erstautorin der Studie, die Ergebnisse zusammen. „In den Zelllinien ohne EphA7-Rezeptor wurde die Infektionsrate sogar um bis zu 84 Prozent reduziert. Das zeigt, dass vor allem EphA7 wichtig für die Infektion dieser B-Zelllinie zu sein scheint.“

Die Wissenschaftler wiederholten die Versuche auch mit dem Rhesusaffen-Rhadinovirus, kurz RRV, das eng mit KSHV verwandt ist. Auch hier konnten die Forscher eine stark verminderte Infektion der Zellen ohne EphA7-Rezeptor um bis zu 99 Prozent nachweisen. Eine Analyse dreier menschlicher B-Zelllinien aus Effusionslymphomen ergab zudem, dass in einer der Zelllinien das EphA7-Protein in großer Menge vorlag, in den beiden anderen der schon beschriebene Rezeptor EphA2, was eine Rolle dieser Proteine bei der Entstehung von B-Zell-Lymphomen wahrscheinlich erscheinen lässt.

„Die Studie zeigt einerseits zum ersten Mal durch Genmodifikation, dass KSHV neben dem bevorzugten EphA2-Molekül auch andere Ephrin-Rezeptoren, wie EphA7, für den Zelleintritt nutzt“, sagt Alexander Hahn. „Außerdem scheint diese Rezeptorfamilie bei der Infektion von B-Zellen eine wichtige Rolle zu spielen – dem Zelltyp, aus dem Lymphome entstehen können. Tatsächlich sehen wir hohe Expression von EphA2 oder EphA7 auf verschiedenen Zelllinien aus primären Effusionslymphomen, also Zellen, die aus erkrankten Patienten isoliert wurden. Ein tieferes Verständnis der Infektionswege des Virus ist essentiell um die Krankheitsentstehung besser zu verstehen und Angriffspunkte für zukünftige Therapien oder Impfstrategien zu entwickeln.“ In Zukunft wollen die Forscher untersuchen, ob ihre Ergebnisse auch auf andere Arten von B-Zellen übertragbar sind.

Die Erstautorin der Arbeit, Anna Großkopf, wurde mit einem Reisestipendium des Internationalen KSHV-Kongresses in New York wie auch des Internationalen Herpesvirus-Workshops in Knoxville ausgezeichnet, um die Studie dort vorstellen zu können.

Originalpublikation
Großkopf AK, Schlagowski S, Hörnich BF, Fricke T, Desrosiers RC, Hahn AS (2019): EphA7 functions as receptor on BJAB cells for cell-to-cell transmission of the Kaposi's sarcoma-associated herpesvirus (KSHV) and for cell-free infection by the related rhesus monkey rhadinovirus (RRV). Journal of Virology, 93: e00064-19, doi: 10.1128/JVI.00064-19


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