Kämpfer mit dem Bronzeschwert suchten Kontakt zum Gegner

Forschungsteam mit Göttinger Beteiligung entschlüsselt Kampftechniken und -traditionen

Mit Kampfexperimenten erhielten die Forschenden Vergleichsspuren verschiedener Kampftechniken. Foto: Rachel Crellin

Bronze gilt als eine weiche Legierung; Schwertern aus diesem Material wurde bislang häufig nur eine zeremonielle oder statusgebende Rolle zugesprochen. Eine neue Studie des Archäologen Dr. Raphael Hermann von der Universität Göttingen belegt dagegen, dass solche Schwerter widerstandsfähig und kampftauglich waren: Er zeigt, dass bronzezeitliche Schwertkämpfer ganz bewusst den Kontakt zum gegnerischen Schwert suchten und ausgeklügelte Kampftechniken entwickelten, die denjenigen in mittelalterlichen Fechtschulen ähneln. Die Studie war Teil des „Bronze Age Combat Projects“ unter der Leitung von Dr. Andrea Dolfini an der Newcastle University. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Journal of Archaeological Method and Theory sowie als Monographie im BAR Verlag erschienen.

Anhand der Kampfspuren auf originalen Waffen und experimentellen Vergleichsspuren hat das Projektteam rekonstruiert, wie die Schwertkämpfer der Bronzezeit ihre Waffen im Detail einsetzten und wie der Schwertkampf sich im Laufe der Bronzezeit entwickelte. Archäologe Hermann, der heute am Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen forscht, konzipierte für seine Doktorarbeit an der Newcastle University rund 150 Kampfexperimente mit Schwert-, Speer- und Schildrepliken. Außerdem dokumentierte er über 2.500 originale Kampfspuren auf 110 Bronzeschwertern aus Großbritannien und Italien. Die Entdeckung sogenannter diagnostischer Gebrauchsspuren, die jeweils immer nur einer ganz bestimmten Kampftechnik zugeordnet werden, führte zu überraschenden Ergebnissen.

„Die mittelalterliche Technik des Versetzens, bei dem das gegnerische Schwert mithilfe der eigenen Klinge kontrolliert wird, hinterließ eindeutige Eindellungen der Schneiden, die sich auch auf bronzezeitlichen Schwertern häufig wiederfinden“, erläutert Hermann. „Paraden mit der flachen Seite des Schwertes, wie sie zur Materialschonung mit Eisenschwertern sehr häufig durchgeführt werden, führen hingegen zu einer starken Verbiegung des Bronzeschwertes, und zwar so extrem, dass dieses so gut wie unbrauchbar ist.“ Die zwei häufigsten Kampfspuren belegen zudem eindeutig ein regelmäßiges Aufeinandertreffen von Schwertern und Speeren.

Statistische Analysen der Kampfspuren, chronologisch angeordnet, deckten eine Vielzahl an Gruppierungen und Mustern auf. Daraus lässt sich das Aufkommen und die Weiterentwicklung ausgefeilter Schwertkampfstile und -traditionen in England und Italien ableiten. „Die Technik des Versetzens zum Beispiel erfordert Expertise und jahrelanges Training“, so Hermann. Mit Beginn der Eisenzeit endet diese Entwicklung, was auf eine tiefgehende Veränderung des Schwertkampfes hindeutet.

 

Originalveröffentlichungen
Raphael Hermann, Andrea Dolfini, Rachel J. Crellin, Quanyu Wang, Marion Uckelmann. Bronze Age Swordmanship: New Insights from Experiments and Wear Analysis. Journal of Archaeological Method and Theory 2020. https://doi.org/10.1007/s10816-020-09451-0

Raphael Hermann, Rachel J. Crellin, Marion Uckelmann, Quanyu Wang, Andrea Dolfini. Bronze Age Combat: An Experimental Approach. BAR International Series 2967. British Archaeological Reports 2020. ISBN 9781407355719

 

Kontakt:
Dr. Raphael Hermann
Georg-August-Universität Göttingen
Philosophische Fakultät
Seminar für Ur- und Frühgeschichte
Nikolausberger Weg 15, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-25083
E-Mail: raphael.hermann(at)uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/599145.html