Asylrecht in Deutschland: fragmentiert, unübersichtlich, durchlöchert

Forschungsbericht zeichnet düsteres Bild des Schutzes von Asylsuchenden in Deutschland

Der Forschungsbericht „Refugee Protection in Germany“ des EU-Projekts RESPOND zeichnet ein düsteres Bild des Menschenrechtsschutzes für Asylsuchende in Deutschland. Foto: Universität Göttingen

Der Forschungsbericht „Refugee Protection in Germany“ des EU-Projekts „Multilevel Governance of Migration (RESPOND)“ zeichnet ein düsteres Bild des Menschenrechtsschutzes für Asylsuchende in Deutschland. Die Autorinnen und Autoren sprechen unter anderem von einem „differentiellen Ausschluss“ immer größerer Gruppen aus dem deutschen Asylrecht auf der Grundlage mehr oder weniger willkürlicher Kriterien. Zwar werde das Grundrecht auf Asyl in Deutschland offiziell nicht angetastet, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die vielen gesetzlichen Ausnahmen und Hürden führten jedoch dazu, dass es den Schutz-Standards der Genfer Flüchtlingskonvention und der europäischen Menschenrechtscharta immer weniger entspreche. Auf deutscher Seite arbeitete Prof. Dr. Sabine Hess von der Universität Göttingen am Bericht mit.

Der 97-seitige Bericht beschreibt die Entwicklung des deutschen Asylsystems seit 2011. Seine Basis bilden neben einer eingehenden Dokumentenanalyse 25 Interviews mit Anwältinnen und Anwälten sowie Beschäftigten von NGOs und Ministerien, außerdem 60 Interviews mit Geflüchteten. „Unser Bericht zeigt, wie unter dem Eindruck der so genannten Flüchtlingskrise von 2015/2016 sowohl der Zugang zum Asylsystem als auch verfahrensrechtliche Standards und menschen- und EU-rechtlich verbriefte Schutzmechanismen des Asylsystems massiv abgebaut wurden“, so Hess. Teils sei dies über Gesetzespakete erfolgt, die immer mehr Gruppen aus dem vollen asylrechtlichen Schutz ausgeschlossen hätten, teils durch die Umsetzung von Verordnungen der Kommunen und Länder.

Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ging die Beschleunigung der Verfahren auf Kosten von Gründlichkeit, Sachverstand und Verfahrensrechten von Geflüchteten, auch die Unterbringung in Großunterkünften wie den Anker-Zentren und Erstaufnahmeeinrichtungen habe die Chancen der Betroffenen auf ein faires Verfahren stark untergraben. „Entstanden ist ein höchst fragmentiertes, unübersichtliches und durchlöchertes Asylrecht in Deutschland mit stark eingeschränkten Verfahrens- und Schutzrechten“, so Hess. „Eine zivilgesellschaftliche Begleitung von Geflüchteten bleibt deshalb umso notwendiger.“

Der Bericht „Refugee Protection in Germany“ ist in englischer Sprache erschienen und mit einer deutschen Zusammenfassung, vor allem der Empfehlungen, online unter www.uni-goettingen.de/de/619137.html zu finden. Vergleichbare Berichte zur Situation in Italien, der Türkei, Griechenland, Ungarn, Österreich, Polen, Großbritannien und Schweden sind als Teil der RESPOND Working Paper Series unter www.respondmigration.com/wp-blog zu finden.

 

Kontakt:
Prof. Dr. Sabine Hess
Georg-August-Universität Göttingen
Philosophische Fakultät
Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie
Heinrich-Düker-Weg 14, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-25349
E-Mail: shess(at)uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/208718.html